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Herr, all mein Sehen liegt offen vor dir, mein Seufzen war dir nicht verborgen


Psalm 38,10 – Monatsspruch Oktober

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

im Urlaub auf Bornholm ist es mir im vorigen Jahr erstmals so richtig bewusst geworden, wie erschreckend viel „er“ über mich weiß. All mein Sehnen scheint offen vor „ihm“ zu liegen, dem Internetkonzern, bei dem ich täglich meine Suchanfragen eingebe, Adressen, Personen und Themen, die mich interessieren. Nicht nur das… – von „ihm“ lasse ich mich auch durch die Gegend navigieren, mit „seiner“ Hilfe buche ich Reisen und kaufe Dinge, die es im Laden um die Ecke nicht gibt. Und dann ploppen also im Bornholmer Ferienhaus (mit WLAN-Anschluss) auf meinem Smartphone plötzlich Nachrichten auf, und „er“ schlägt mir vor, welche Fischrestaurants es in der Nähe gibt und welche Konzerte in den nächsten Tagen im näheren Umkreis stattfinden. Ich war erschrocken: Woher weiß „er“, dass ich gerne Fisch esse und im Urlaub besonders gern Konzerte besuche?
Manchmal wirkt es, als würden Google & Co. mehr und mehr Attribute Gottes okkupieren: Allwissenheit, Allgegenwart, Allmacht. Doch bei den Riesen des Internet geht es letztlich nur um Kaufen und Verkaufen, um Geld und immer mehr Geld. Mein innerstes Sehnen und Seufzen, meine wahren Gründe und auch meine Abgründe – sie bleiben den digitalen Götzen verborgen.
Der lebendige Gott dagegen interessiert sich wirklich für mich. Er will, dass ich Sinn und Glück erlebe. Ihn kann ich mit Du anreden. Er hört und versteht auch das, was ich gar nicht aussprechen mag. Der Beter von Psalm 38 bekennt, dass Gott auch die dunklen Ecken kennt, die schwer zu tragenden Geheimnisse, die Sünden, die den Beter wie eine schwere Last krumm und gebückt gehen lassen. Einsamkeit, heißt es, sei eine Krankheit unserer Zeit, in der Menschen andere nicht brauchen, weil sie alles alleine können und machen – gern auch mit Hilfe der so genannten Sozialen Medien. So lange, bis sie in der realen, der „analogen“ Welt niemanden mehr kennen und selber nicht mehr gekannt werden. Erschreckend ist, dass bereits junge Menschen vereinsamen. Was nicht weiter auffällt, wenn sie ihr Sehnen nicht zeigen und ihr Seufzen niemand hört. Doch sie alle bleiben erfüllt von der Sehnsucht danach, dass das Leben wieder gut wird mit sozialen Bindungen, dass sie wieder Freunde finden oder in eine Familie zurückkehren. Gott versteht, hört hin, schenkt Vertrauen und Zuversicht, dieses Sehnen in Worte zu fassen.

Herzliche Grüße, Ihr und Euer

Thomas Steinbacher

L BHerr, all mein Sehen liegt offen vor dir, mein Seufzen war dir nicht verborgen