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„Seht auf und erhebt eure Häupter, weil sich eure Erlösung naht.“


„Seht auf und erhebt eure Häupter, weil sich eure Erlösung naht.“ (Lukas 21,28)

Wenn die vorweihnachtlichen To-Do-Listen immer länger werden, ein Termin
den anderen jagt, wenn die noch nicht erledigten Dinge mir im Nacken
sitzen und der Adventsstress den Höhepunkt erreicht, dann reagiert mein
Körper. Ich kriege in solchen Zeiten – gerne auch mal kurz vor
Weihnachten – einen steifen Hals, Verspannungen im Nacken, im
schlimmsten Fall Hexenschuss.
Und dann hilft nur noch Bärbel. Die nette und resolute Physiotherapeutin
legt mir Fangopackungen auf den Rücken und massiert meinen Nacken. Und
sie macht so Übungen mit mir: Rückengymnastik mitten im Advent. Da steh
ich dann und Bärbel erklärt mir, was ich tun muss: „Kopf hoch. Stell dir
vor, dein Kopf wird an einem Faden hochgezogen. Ganz langsam, wie von
einer unsichtbaren Hand. Und diese Hand zieht wie mit einem feinen Band
den Scheitel langsam nach oben, Richtung Himmel.“ Und tatsächlich,
Schmerz lass nach! Die Adventsgymnastik wirkt. Meine Halswirbel strecken
sich, die Schultern dehnen sich. Ich merke, wie ich besser atmen kann,
der ganze Körper richtet sich auf.
„Seht auf und erhebt eure Häupter, weil sich eure Erlösung naht.“
Das ist die biblische Verordnung für den Advent. Sie gilt allen, die
ganz verspannt und verkrampft durch diese Zeiten rennen, mit hängendem
Kopf und steifer Seele, weil sie sich viel zu viel aufgeladen haben.
Weil ihnen Druck im Nacken sitzt oder Sorgen, die immer größer werden.
Kopf hoch, behaltet den Himmel im Blick! Starrt nicht immer nur wie
gebannt nach unten, aus Angst, vielleicht zu stolpern. Lasst euch nicht
runterziehen von Drohkulissen und Angstmachern. Starrt nicht immer nur
auf die eigenen, viel zu kleinen Kräfte, auf das, was misslingt, was
verletzt und wehtut. Gott hat dich als Homo erectus erschaffen, als
Mensch mit aufrechtem Gang. Wer immer nur nach unten starrt, auf das
kleine Stück des Weges, das gerade vor ihm liegt, der wird buchstäblich
kurzsichtig. Wer immer nur gebückt geht, wird krank. Die Welt wird eng.
Der Blickwinkel begrenzt. Die Aussicht deprimierend. Das Rückgrat
verkrümmt.
„Seht auf und erhebt eure Häupter, weil sich eure Erlösung naht.“
Die Erlösung, der Erlöser – er kommt in einer Krippe zur Welt, als
Mensch unter Menschen und doch ganz anders. Er richtet verkrümmte
Menschen auf, er heilt geknickte Seelen, erlöst die verkorkste Welt,
bringt Gott unter die Leute und den Himmel auf die Erde.
Ich schiebe den Scheitel nach oben, ganz langsam. Ich hebe den Kopf, und
die Welt verändert sich. Der Himmel kommt in den Blick. Meine Stimmung
wird heller, ich atme auf. Ich will Bärbels Adventsgymnastik in meinen
Tagesablauf einbauen in dieser manchmal so stressigen Vorweihnachtszeit.
Nicht nur als Prophylaxe gegen steifen Hals, Hexenschuss und
Winterdepression, sondern als Vorbereitung auf den, der kommt.

Thomas Steinbacher

(„Das Wort“ am 9.12.2018  auf Radio Berlin 88,8)

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